Als Russland noch zum Kreis der größten Industrienationen dieser Welt gehörte, trafen sich deren Regierungschefs regelmäßig zum G8-Gipfel. In der Villa Rothschild stand das große ‚G’ bereits zum neunten Mal für Genuss auf höchstem Niveau.
Acht Spitzenköche aus ganz Deutschland mit zusammen acht Michelin-Sternen gaben sich ein Stelldichein zum Gipfeltreffen der Gaumenfreuden im kleinsten Kempinski der Welt, in dem einst die Baronin von Rothschild residierte. Das feine Boutique-Hotel mutierte am vergangenen Sonntagabend zur Flaniermeile der Hochkulinarik: Zwölf Live-Cooking-Stationen in sämtlichen Salons, in der Bar, der Küche und dem Gourmetrestaurant, ein reichhaltiges Angebot an Spirituosen, Live-Musik und ein fulminantes Feuerwerk mit Blick auf die historische Burg von Kronberg köderten rund 400 Fans der Haute-Cuisine.
Lokalmatador Christian Eckhardt, Küchenchef des Restaurants „Villa Rothschild“ kredenzte mit seinem Team gleich zwei überragende Gerichte. Mit dem exzellenten confierten Färöer Lachs schaffte der Maître, der im Frühjahr vergangenen Jahres in der Villa Rothschild startete und auf Anhieb zwei Sterne und 18 Gault Millau-Punkte einheimste, maximalen Lustgewinn. Serviert mit einer Kerntemperatur von knapp 37 Grad und umgeben von einer krossen Panade aus im Thermomix geschredderten Fischschuppen, -haut, gebackenen Krabbenchips und Pankomehl entpuppte sich der Lachs als Meisterwerk.
Dass er sich exzellent auf die Zubereitung von Flossentieren versteht, zeigte Eckhardt auch mit seiner zwölf Stunden lang in Kräutern gebeizten Goldforelle mit Blumenkohl in zweierlei Texturen, Wiesenkräutern und Eis aus gebrannten Mandeln.
Dreisterne-Maestro Sven Elverfeld aus dem Wolfsburger „Aqua“ zog die Gäste mit einem hervorragend abgestimmten und handwerklich perfekten Kalbstatar à la Bolognese in seinen Bann. Sebastian Zier und Moses Ceylan aus dem Hotel Einstein in St. Gallen zeigten sich mit ihrer Waldbeer-Gazpacho mit Radieschen, Meerrettich und Daikon-Rettich als kongeniales Küchenduo. Optisch eine Augenweide, entpuppte sich ihre Kreation am Gaumen als feines Spiel aus Aromen und Texturen.
Patrick Weber, Herr der Herde im Atlantic Kempinski Hamburg, kredenzte mit seiner ‚Hummersuppe Atlantic’ begleitet mit Pistazien in karamellisierter Form und als Creme sowie Erbsenkresse ein sensorisches Kunstwerk auf bestechendem Niveau. Jan Hartwig vom Restaurant „Atelier“ im Bayerischen Hof in München umschmeichelte mit seiner gewagten Kombination aus gegrillter Lammzunge mit Sprottencreme, Sauerkraut und Meerettich die Geschmackspapillen. Dass der Küchenkünstler genau weiß, worauf es ankommt, zeigt ein Blick in seine Vita: Bevor er an der Isar anheuerte, war er fünf Jahre Sous-Chef bei Sven Elverfeld.
Sarah Henke wurde gar in Elverfelds Küche entdeckt. Besonders beliebt unter den Kulinarik-Aficionados in der Villa Rothschild war ihr süß-saures Schwein, das von ihrem berühmt-berüchtigt scharfen koreanischen Kimchi begleitet wurde. Während ihre Küchen-Kollegen noch einige ihrer delektablen Preziosen bereithielten, hatte sie ihre 400 Portionen schon gegen 21 Uhr unters Volk gebracht.
Ihre Leidenschaft für die Haute Cuisine bringt die 33-jährige, die – Findelkind aus Korea – als Baby von einem Ehepaar in Niedersachsen adoptiert wurde und auf dem Land aufwuchs, so auf den Punkt: “Ich habe mir aufgeschrieben, was meiner Meinung nach Aromen und Zutaten der asiatischen Küche sind, wie man sie kombinieren kann, in welchen Texturen und Konsistenzen. Am Ende hat es geklappt.” Hier gibt sich die sympathische Ausnahmeköchin allzu zurückhaltend. Längst hat sie sich einen Stern erkocht, im Oktober wird das 1,60 Meter große Energiebündel in Andernach seine Kunst unter Beweis stellen.
Oliver Heberlein, Chef de Cuisine im „Landgut Falkenstein“ setzte mit seinem US Flank Steak, geräucherten Pimentos, karamellisierten Perlzwiebeln und Maiscreme einen ebenso kräftigen wie meisterhaften Kontrapunkt zu seinem ureigentlichen kulinarischen Motto. „Regionales für Leib und Seele“, lautet seine Devise im Restaurant des nahegelegenen Schwesterhotels der Villa Rothschild sonst.
Kaum Wünsche ließ die Getränkeauswahl offen. Die trockenen Rieslinge vom Weingut Kühling Gillot, der Malterdinger Spätburgunder (Weingut Huber), der Erstes-Gewächs-Riesling aus dem Schloss Vollrads oder der Château Clarke aus dem Hause Edmond Rothschild, diverse Tropfen aus dem burgenländischen Weingut Nittnaus sowie ein Chianti von Marchesi de Frescabaldi sind nur eine kleine Auswahl. Auch an Hochprozentigem wie einem 18 Jahre altem Glenlivet, Beefeater Gin oder Schnäpse aus der Schweizer Edel-Distillerie Etter mangelte es nicht.
Restaurantleiter und Sommelier Benjamin Birk und seine Mannschaft hatten die Lage jederzeit im Griff und sorgten für einen reibungslosen Ablauf. Nur zu Beginn zeigte das sonst perfekt funktionierende Team leichte Anlaufschwierigkeiten, als man den 1,90 Meter großen Verfasser dieser Zeilen immer wieder übersah – vor allen, als es um das deliziöse Fingerfood ging. Doch dann erschien Corinna Jürgens fast wie aus dem Nichts und bügelte die Delle mit ihrem unwiderstehlichen Charme auf entzückende Weise aus.
Das opulente Nachtischbüfett stand unter der Regie von Rothschild-Pâtissier-Benjamin Kunert. Unter der Maxime „Alice im Wunderland“ machte er das Märchen mit Köstlichkeiten wie sauren Erdbeeren am Stil, filigranen Spielkarten aus Schokolade oder (ungiftigen) Fliegenpilz-Lollies zur buchstäblich auf der Zunge zergehenden Fantasy-Story.
Nur ein Wunsch blieb am Ende offen: Beim nächsten Mal bitte nicht mehr diese Live-Band, die hier nicht genannt werden soll! Stimmlich wie musikalisch ungenügend, ist ein derartiges Niveau üblicherweise allenfalls unter hohem Alkoholeinfluss zu ertragen.
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