Peter Schwenkow, Chef des Konzertveranstalters DeutschenEntertainment AG (DEAG), über hohe Ticketpreise, unangenehme Situationen und das Suchtpotenzial seines Jobs.
Er hat den Geiger David Garrett entdeckt, mit dem Pianisten Lang Lang geht er regelmäßig asiatisch essen, Anna Netrebko hört auf seinen Rat – Peter Schwenkow organisiert seit 36 Jahren Konzerte in Deutschland. Gedankenverloren blickt der Chef und Gründer der Deutschen Entertainment AG über Berlin, während er einige Erlebnisse mit den Großen der Branche Revue passieren lässt. In seinem Büro nahe dem Potsdamer Platz hängen die Wände voller Goldener Schallplatten und Starfotos.
Er hat den Geiger David Garrett entdeckt, mit dem Pianisten Lang Lang geht er regelmäßig asiatisch essen, Anna Netrebko hört auf seinen Rat – Peter Schwenkow organisiert seit 36 Jahren Konzerte in Deutschland. Gedankenverloren blickt der Chef und Gründer der Deutschen Entertainment AG über Berlin, während er einige Erlebnisse mit den Großen der Branche Revue passieren lässt. In seinem Büro nahe dem Potsdamer Platz hängen die Wände voller Goldener Schallplatten und Starfotos.
Professor Schwenkow, Sie haben die DEAG 1978 gegründet. Wie hat sich die Konzertlandschaft seither verändert? Früher wusste man manchmal nicht so genau: Findet das Konzert statt, ist der Künstler da, ist er überhaupt nüchtern? Das ist grundlegend anders geworden, die Branche hat sich extrem professionalisiert – was auch für die Größe der Shows und das Kaufverhalten der Kunden gilt. Hinzu kommt: Heute versichern wir jede Veranstaltung, weil die Risiken ungleich größer sind als vor 40 Jahren. Da sich auch die Künstler versichern müssen, leben sie gesünder. Das ist die profane Wahrheit über den Rock’n’ Roll.
Was hat Sie in den vergangenen Jahrzehnten am meisten bewegt? Ich könnte eine ganze Reihe von Konzerte nennen, spontan fallen mir die Auftritte von David Bowie und Michael Jackson am Reichstag ein, als die Menschen auf der anderen Seite der Mauer riefen: “Die Mauer muss weg!”
Gab es Momente, in denen Sie sich am liebsten um Ihre Verantwortung gedrückt hätten? Einmal musste ich ein Konzert mit Joe Zawinul abbrechen. Damals hingen die Gitarren noch an Kabeln. Es regnete, das Dach war nicht dicht, und der Gitarrist bekam einen leichten Stromschlag. Erhöhten Blutdruck bereitete mir auch Rod Stewart, als er eine Fischsuppe aß, sich noch im Backstage-Bereich übergab und zurück ins Hotel musste. Gianna Nannini hatte das Vorprogramm gespielt. Danach musste ich auf die Bühne und sagen: “Geht nach Hause, Leute!”
Welche Stilrichtung hat die besten Zukunftschancen? Wenn Sie sehen, wie Klassik oder Crossover, aber auch Hardrock gewachsen sind, gibt es keinen klaren Trend. Es läuft momentan alles.
Warum sind Sie dann mit Musicals gefloppt? Es waren vor allem die Anschläge auf das World Trade Center, die uns dieses Geschäft verhagelt haben. Der “Musical-Tourismus” brach praktisch von einem Tag auf den anderen zusammen. Heute sind Musicals nur im Ensuite-Betrieb produzierbar, das heißt, in einem Theater läuft eine Produktion über Monate und Jahre. Das ist nicht unser Geschäft.
Wie sieht Ihre Digitalstrategie aus? Wir waren die Ersten, die damit angefangen haben, die Facebook-Konten der Künstler einzurichten und zu pflegen und vermarkten heute schon einen erklecklichen Teil unserer Eintrittskarten über diese Kanäle. Das unterstützt auch unsere Geschäftsausweitung im Ticketing. Ich sehe kein Ende dieses Trends.
Auf welchen Auslandsmärkten wollen Sie expandieren? Wir möchten unser Geschäft zum Beispiel in England verstärken, wo wir aktuell zehn Prozent unseres Gesamtumsatzes erwirtschaften. Allein in der Royal Albert Hall haben wir aktuell 70 Veranstaltungen pro Jahr. Zudem werden wir die Schweiz und Österreich noch stärker bespielen. Der logische nächste Schritt wären dann die Benelux-Staaten.
Wann melden Sie dort Vollzug? Wir brauchen Leute, die genau in das Team passen. Das bedarf einer sorgfältigen Suche, die sich nicht übers Knie brechen lässt.
Die Ticketpreise sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Ist das noch gerechtfertigt? Man macht sich manchmal Gedanken um den letzten Euro und fragt sich: Nimmst du 58 oder 59 Euro? Dann ist das Konzert am gleichen Tag ausverkauft, und dasselbe Ticket wird am nächsten Tag im Schwarzmarkt oder auf Wiederverkaufsplattformen für 138 Euro angeboten. Ich denke, der Markt gibt die richtige Antwort.
Wie unterscheiden sich Rock/Pop und Klassik hinsichtlich ihrer Kostenstruktur? Der Produktionsaufwand ist im Rock/Pop-Segment ist viel größer. Wenn Sie dort mit dem Frontmann einer Band verhandeln, dann steht Ihnen damit oft gleichzeitig auch der Besitzer der Marke, der Texter und der Komponist gegenüber. Das macht die Sache teuer. Sprechen Sie hingegen mit einem Klassikkünstler, ist er nur er allein – denn Mozart, Bach oder Chopin sind schon lange tot.
Sie wurden im März 60 Jahre alt. Wie lange wollen Sie noch an der Spitze der DEAG stehen? Ich habe eine sehr gute Weichenstellung hinbekommen, und es gibt Vorstandskollegen, die meine Aufgaben übernehmen können. Zunächst aber möchte ich noch viele Jahre weitermachen, denn der Job hält jung und macht süchtig – süchtig nach Menschen. Veranstalter sterben in den Stiefeln.
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