Gäbe es nicht Walter und Eveline Eselböck, wäre das kleine Schützen nur eine 1300-Seelen-Gemeinde im Einzugsgebiet des Neusiedler Sees. Doch was die beiden mit dem ‚Taubenkobel’ aus dem Boden stampften, macht das Städtchen zum Hotspot der Hochkulinarik weit über die Grenzen Österreichs hinaus.
„Die Suche nach dem verlorenen Geschmack neben der eigenen Haustür, die heute in der Spitzengastronomie der ganzen Welt Programm ist, hat bei uns schon vor über 20 Jahren begonnen“, lautet das Credo von Walter Eselböck. Dabei stand der jung gebliebene Gründer nicht einmal als ausgebildeter Koch hinter dem Herd, als er den „Taubenkobel“ 1984 als Ausflugslokal mit einer entsprechend schlichten Küche eröffnet hatte.
Zu einfach vielleicht, denn ein prominenter Gast sagte eines Tages unverblümt: „Ich mag den Taubenkobel, aber ihr habt ein Problem: Ihr könnt nicht kochen“ – und schickte die Eselböcks nach München in Eckart Witzigmanns „Aubergine“. Der Besuch beim späteren Jahrhundertkoch wurde zum Erweckungserlebnis für Walter und seine Frau Eveline: „Das machen wir auch!“
Die Eselböcks legten ihr Geld in Sternemenüs an – und scheuten sie sich nicht, auf der Toilette Speisekarten zu kopieren und unter die Tische zu kriechen, um herauszufinden, woher das edle Leintuch stammte. Die Mühe sollte sich lohnen: Als Autodidakt erkochte sich Walter Eselböck zu Zeiten der österreichischen Ausgabe des Guide Michelin zwei Sterne und 19 Punkte im Gault Millau und vier Hauben.
2014 übernahmen Tochter Barbara und Schwiegersohn Alain Weissgerber die Regie – und orientierten sich weg von der französischen Küche hin zu einer „Pannonian Cuisine“. Der gebürtige Elsässer mit österreichischem Akzent stellt die Region konsequent in den Mittelpunkt und orientiert sich ausschließlich an der Saison. So landen etwa Meeresfische niemals auf dem Teller, nur Fische aus dem Neusiedler See, wo man einen eigenen Fischer hat. Zu den wichtigsten Produzenten gehören Demeter-Höfe und Gemüse-Bauern vor Ort, Weissgerber kennt sie alle persönlich.
„Das Einfache sticht im Zweifelsfall immer das Komplizierte“ und „mir gefällt die Kreativität, aus nichts etwas zu machen“, lauten seine kulinarischen Credos. Interpretiert klassisch-regionale Gerichte neu. So kombiniert er einen auf Steinsalz gedämpften Zander aus dem Neusiedler See mit eingelegten Kräuterknospen. Die Taube wiederum wird zunächst mit Heu gefüllt und – in verbranntem Heu vakuumiert – eine Woche lang gelagert. Bevor sie aufs rustikale Porzellan kommt, ruht sie für 40 Minuten in einem 68 Grad heißen Gewürzöl, um im Holzofen den finalen Schliff zu bekommen. Brennesel in Form von Creme, Sud und Spinat und Mispel-Gelee machen das Gericht zu einer aromatischen Noblesse.
Dem Gault Millau war der Gegenentwurf zur klassischen Haute-Cuisine auf Anhieb 18 Punkte wert. Dass der Guide Michelin seine Sterne nur noch in Salzburg und Wien funkeln lässt, ärgert Küchenkünstler Weissgerber – nicht zuletzt wegen dessen Werbewirkung und weil dadurch, glaubt der Küchenkünstler, weniger internationale Gäste in den „Taubenkobel“ kommen.
Barbara Eselböck als Hotelchefin und Küchenmatador Alain Weissgerber leben ihre Leidenschaft, Passion – genauso authentisch wie ihre Küche. Begleitet von höchst individuellen Bioweinen und dargeboten von einem zuvorkommenden, überaus freundlichen Team auf eigens im Dorf getöpferten Tellern, manifestiert sich das Forbes-Diktum mit jedem Bissen immer mehr: Hier schaffen Unkonventionalität und Kreativität, verbunden mit handwerklicher Perfektion ein „cooles’ Ambiente, das so wohl nirgends zu finden ist.
Fotos: Christian Euler, Ingo Pertramer (Taubenkobel)