Fällt der Name Dallmayr, denken die Meisten an die berühmten Kaffeekompositionen. Gourmets verbinden damit auch das gleichnamige, mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnete Münchner Restaurant, dessen Küche Diethard Urbansky bereits seit 2006 verantwortet. Kaum tritt man in das Feinkostimperium in der Dienerstraße einen Steinwurf entfernt vom Marienplatz, führt eine schmale, mit weichem Teppich ausgelegte Eichenholztreppe rechts hoch in das elegante Reich, abseits jeglicher Bayern-Romantik, mit wunderbarem Blick auf die Frauenkirche.
Exklusiv für das Restaurant gefertigte Möbel und Kunst bestimmen die gediegene Atmosphäre in den beiden ineinander übergehenden Räumen, die Platz für 40 anspruchsvolle Feinschmecker bieten. Die exquisiten Speisen werden auf feinstem handbemaltem Porzellan der Manufaktur Nymphenburg gereicht. Den Wein goutiert man aus mundgeblasenen Gläsern der Kristallglasmanufaktur Theresienthal. Auch die Speisekarte präsentiert sich höchst individuell: als persönliche Depesche mit dem roten Lacksiegel des Traditionshauses, dessen Name von Kaufmann Alois Dallmayr stammt, der 1870 Inhaber war.
Küchenkünstler Diethard Urbansky hat sich ganz der klassischen Moderne verschrieben. Zwei Grundsätze prägen seine Arbeit: Die Form folgt der Funktion, lautet sein erstes Credo. Mit anderen Worten: wesensfremde Veränderungen bei Geschmack, Duft oder Beschaffenheit sind tabu. „Für mich ist es ganz wichtig, dass das Produkt seine Natürlichkeit behält ohne wesentliche Geschmacksveränderung“, sagt der gebürtige Hochsauerländer, „ein Steinpilz etwa muss riechen wie ein Steinpilz und der Gast muss ihn als solchen auch erkennen.“ Dekorationen sucht man bei ihm vergebens: „So was braucht man nicht.“ Viel lieber präsentiert er seine Kompositionen schnörkellos.
Maxime zwei von Diethard Urbansky, der in seiner knappen Freizeit gern Mountainbike fährt oder an der Isar walkt: Weniger ist mehr – nichts dient der Dekoration, sondern alles dem Geschmack. So setzt der 56-jährige, der sein Handwerk nicht zuletzt ab 1986 im damaligen Drei-Sterne-Restaurant Tantris unter Heinz Winkler verfeinerte, auf höchste Produktqualität.
Schon die Amuse Bouches zeugen aufs Trefflichste von seiner Philosophie und setzen gleich zu Beginn markante Akzente. Die ‚gekochte Bouchot-Muschel, gebratene Pilgermuschel und roh marinierte Schwertmuschel mit Currycreme, Safrangelee und Fenchel’ und – als Hommage an die Vegetarier – der Gemüsegarten von Karotten in Vanille-Öl, Artischocken, eingelegten Mini-Gurken und konfierten Tomatenfilets, Pumpernickelerde, Joghurt und Sanddorngel sind ausnahmslos handwerklich ausgereifte Koch-Kunstwerke.
Wie präzise Maestro Urbansky die Klaviatur der klassischen Produktbehandlung beherrscht, zeigt er auch am gebratenen Oktopus mit eingelegter Jakobsfrucht und Jakobsfruchtcrème, Tapioka und Algentee: Es ist ein überaus feines Spiel von Aromen und Texturen.
Der Sommelier Julien Morlat begleitet die Speisen souverän und erweist sich als kongenialer Begleiter des Küchenchefs der in der aktuellen Ausgabe des Restaurantführers “Der große Hotel- und Restaurant Guide 2015″ zum “Koch des Jahres” gekürt wurde. Dabei konzentriert sich der gebürtige Franzose auf europäische Weine und setzt vor allem auf Winzer, die sich zu ihrer Identität und ihrem Ursprung bekennen. Morlat versucht stets, einen engen Kontakt zu den Erzeugern zu halten. Auf seiner Weinkarte finden sich mehr als 700 Positionen, der edelste flüssig gewordene Diamant ist ein 1961 Mouton Rothschild Premier Grand Cru Classé zum Preis von 3973 Euro.
Der Wein-Aficionado hält sehr gute alkoholfreie Alternativen bereit, auch eine ebenso ausgeklügelte wie geschmacklich überzeugende Saftbegleitung ist möglich – ein Service, der selbst in der Sternegastronomie seinesgleichen sucht. Wer indes alkoholische Kreszenzen aus der Traube favorisiert, kann sich blind auf die Weinbegleitung des sympathischen Sommeliers verlassen. Zur gelierten Ochsenschwanzessenz mit gebratenem Ochsenmark, Felchenkaviar und Vichyssoise reicht Morlat einen weißen Port aus dem Douro-Weingut Quinta do Noval, der mit seinem erdig-nussigen Geschmack hervorragend zu diesem außerordentlich präzise durchgearbeiteten Amuse Bouche korrespondiert.
Von seiner hohen Fachkompetenz, die weit über den Weinflaschenrand hinausgeht, zeugt auch der Sake zum von Chef de Cuisine Urbansky ausgezeichnet in Szene gesetzten kurzgebratenen Rochenflügel in einer Panko-Yuzu-Kruste mit getrockneter weißer Kombu-Alge, eingelegter Kimchi und Dashi-Fond. Salzig-würzig zeigt sich der Sake mit seiner Polierrate von 70 Prozent auf der Zunge.
Die Restaurantleiterin Barbara Englbrecht und ihr engagiertes Team sind ebenso freundlich wie zurückhaltend aufmerksam. Jacqueline Kert, die in besonders guter Erinnerung geblieben ist, bringt nun ein Sous Vide gegartes Bugstück vom Nebraska Rind, das mit Urkarotte, Roter Beete und mit Steinpilzen gefüllter Schalotte aufs feine Manufaktur-Porzellan kommt. Küchenchef Urbansky weitet diese Komposition mit Café-de-Paris-Butter und Kartoffelstampf deutlich sensorisch aus und macht das Gericht zu einer geschmacklichen Offenbarung.
Sommelier Morlat wählt dazu einen La Plazuela, Flaggschiff des spanischen Spitzenweinguts Bodegas Ercavio. Die alten, auf 800 Metern Höhe wachsenden Tempranillo-Reben ergeben einen tief purpurnen, opulenten vollmundig-dichten Tropfen. Die vollreifen Tannine harmonieren mit den Aromen der Urkarotte. „Den sollte man kistenweise kaufen“, schrieb Weinpapst Robert Parker im Wine Advocate im Februar 2007 mit gutem Grund.
Das Süppchen von eingelegter Pflaume, Hefe-Eis mit kleinem Kuchen und brauner Buttercreme kündet vom nahenden Abschied. Aber noch ist es glücklicherweise nicht soweit, denn kurz darauf grüßt Urbansky mit einer Maracuja Curd and Cream, Sonnenblumennougat, Sonnenblumenkernen, Baiser von Szechuanpfeffer, dehydrierten Blaubeeren und hausgemachter Blaubeerlimonade noch einmal mit maximalem Lustgewinn aus seiner Küche.
Auch Weinkenner Julien Morlat tut alles, um in bester Erinnerung zu bleiben. Das beste kommt zum Schluss, wird er sich wohl gesagt haben, als er mit einem absoluten Highlight aufwartet. Eine Limited Edition von Glenmorangie aus dem Jahr 1963, von dem es weltweit nur 50 nummerierte Flaschen gibt. Ich koste aus Nummer zwölf. Ohne Zweifel: Was sich hier offenbart, ist ein Schlückchen Whisky-Geschichte.
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