In Südtirol scheint die Sonne an mehr als 300 Tagen im Jahr. Das ist aber nicht der einzige Grund‚ auch im Herbst die nördlichste Provinz Italiens zu reisen. Auch kulinarisch gibt es neben den omnipräsenten Äpfeln viel zu bieten – zum Beispiel im Meraner Land.
Der passende Ausgangspunkt für die Erkundung der Region ist das Hotel Schwarzschmied in Lana. Das Viersterne-Haus mit seinen 55 Zimmern und Suiten wird seit 1981 von Familie Dissertori geführt. Besonders attraktiv logieren lässt es sich in der Garten-Suite mit ihren großen Fensterfronten und dem Privatgarten mit Blick auf Weinberge und die Kirche von Lana. Selbst aus der Badewanne lässt sich die Szenerie genießen.
Im Schwarzschmied treffen Yoga‚ Wandern und das holistische Spa-Konzept auf Kunst‚ Genuss und Slow Food. Mit Kinder-Yoga wird schon der Nachwuchs an das eigene Körperbewusstsein herangeführt. “Genuss ohne Reue”, lautet das Motto im Slow Food-Restaurant “La Fucina”‚ wo Küchenchef Georg Costabei seinen Schwerpunkt auf regionale Frischeküche mit saisonalen Produkten legt. Obst, Gemüse und Kräuter wachsen direkt vor der Tür im 1.000 Quadratmeter großen Schwarzbauergarten aus dem 17. Jahrhundert. Was fehlt‚ wird von örtlichen Kleinbetrieben zugeliefert. Butter und Honig etwa kommen von den Almen aus dem nahen Umland.
Ob Bresaola‚ Ziegenkäsepraline‚ knackige Salate unterschiedlichster Couleur‚ geräucherte Gänsebrust‚ Antipasti-Variationen vom Fisch‚ Meeresfrüchtesalat oder Couscous: Schon die Vorspeisen-Buffets machen Lust auf mehr. Als Hauptspeisen kreiert Chef de Cuisine Georg Costabei Gerichte wie gedämpftes Heilbutt-Filet mit schwarzem Venere-Reis und Pak-Choi‚ Kaninchenfilet mit Gemüse-Linsenragout und Broccoli-Mousse. Als vegane Alternative hat er gegrillte Kräuterseitlinge mit Buchweizenschrot und Sojaquark auf der Speisekarte. Die feinen Nudeln für die leichten italienischen Vorspeisen stammen aus der hauseigenen Pasta-Manufaktur. Mit selbstgemachten Bio-Limonaden sowie einer ganzen Reihe von Weinen und Bieren aus der Region findet sich das Slow-Food-Prinzip auch in der Schwarzschmied-Bar wieder. Das Weinsortiment umfasst mehr als 400 vorwiegend Südtiroler‚ aber auch internationale Tropfen.
Lana ist die größte Obstbaugemeinde in Südtirol‚ das wiederum mit 18.400 Hektar das größte zusammenhängende Anbaugebiet in der EU darstellt. Jahr für Jahr werden hier rund sechs Milliarden Äpfel mit einem Gewicht von 1‚2 Millionen Tonnen geerntet. Das entspricht der Hälfte der italienischen und zehn Prozent der europäischen Apfelernte. Jeder zehnte Südtiroler Apfel wird in und um Lana angebaut. Sabine Unterholzner ist Leiterin des 1990 eröffneten Südtiroler Obstbaumuseums – und wandelndes Lexikon in Sachen Äpfel. Auf 1000 Quadratmeter Ausstellungsfläche werden hier anhand von Geräten, Maschinen und über 60 Schautafeln die Etappen in der Entwicklung des Obstbaus in Südtirol veranschaulicht. Highlight ist die älteste Weinpresse des Landes, die auf das Jahr 1570 zurückgeht und als “Braunsberger Torggl” bekannt ist. Auch Themen wie Schädlingsbekämpfung und alte Apfelsorten werden im Museum behandelt. Workshops runden das Angebot ab.
Meran ist nur sieben Kilometer entfernt und mit den vom Hotel kostenlos zur Verfügung gestellten Fahrrädern zu erreichen. Golfer wiederum finden im Umkreis von 30 Kilometern gleich drei Parcours mit mediterranem bis hochalpinem Charakter. Ganz weit oben auf der To-do-Liste der Lana-Besucher sollte auch ein Besuch im Weingut Kränzelhof mit seinem Restaurant ‚Miil’ stehen. Im Dorf Tscherms liegt es‚ auf halber Strecke zwischen Eppan und Schenna‚ mitten im Meraner Becken. Im Jahr 1350 erstmals urkundlich erwähnt‚ befindet sich das Anwesen heute im Besitz des Grafen Pfeil.
Als “lebendige Installation” ließ er die 20.000 Quadratmeter große Grünanlage mit wechselnden Kunstinstallationen‚ begehbarem Rebenlabyrinth und Amphitheater anlegen. “Im Garten wollen wir den Besucher einstimmen sich selber zu spüren, sich wahrzunehmen, um dann auch mit Lust zu genießen”‚ betont Franz Graf Pfeil‚ “die sieben Gärten sind eine lebendige Skulptur, die am 1. August 2006 geboren wurde – eine lebende Skulptur, die sich stetig verändert.”
Unterschiedlichste Früchte gibt es in seinen Gärten zu naschen – nur eine gibt es hier nicht: Äpfel. Für den Labyrinth-Garten mussten alle Apfelbäume weichen. “Äpfel interessieren mich nicht”‚ bekennt der Graf, “da gibt es nichts zu veredeln”. Er hält es lieber mit dem Rebsaft‚ den er selbst produziert. Seine edlen Tropfen versteht er als Kunstwerke‚ natürlich im Einklang mit der Natur. “Mein Wein”, erzählt uns der charakterstarke 60-Jährige, “ist beseelt und nährt die Seele, er hat Geist und gibt ihm Flügel.”
Qualität hat für ihn Priorität – auch wenn das bisweilen zu Lasten der Menge geht. So produziert er bescheidene 30.000 Flaschen pro Jahr. Dafür kennen seine sechs Hektar Rebfläche weder Herbizide noch Dünger. Für ein gesundes und nachhaltiges Leben in den gräflichen Weinbergen sorgen Gräser, Acker- und Wiesenblumen‚ Insekten‚ Vögel und anderes Getier. “Ich mache den Wein nicht für andere”, bekennt der unkonventionelle Winzer in seiner ruhig-lässigen Art‚ “sondern für mich – und dann versuche ich Menschen zu finden, die das mögen”.
Man darf sich Franz Pfeil nicht als klassischen Grafen vorstellen. Er gibt sich anti-aristokratisch‚ bodenständig und unprätentiös – ein Graf zum Greifen sozusagen, der sich nicht scheut, in Badelatschen und Shorts zur Sparkasse zu gehen. “Ich war ein schlechter Schüler‚ bin dreimal durchgefallen und habe keine Matura”‚ gesteht er gänzlich frei von Standesdünkeln, “und ich habe die Arroganz zu sagen, dass wir nicht Wein machen, sondern versuchen, Kunstwerke zu kreieren.” Den Wein bezeichnet er als spirituelles Getränk, das dem Geist Flügel verleihen soll.
Sein autochthoner Vernatsch überzeugt mit seinem feinen, geschliffenen Tannin‚ während der Weißburgunder Aromen von weißen Blüten, reifen Äpfeln und Zitrus freigibt und sich vollmundig mit saftiger Säure und elegantem kräftigem Abgang präsentiert. Rund 20 zumeist charaktervolle Weine hat der Querdenker im Angebot‚ viele sind zwischen 20 und 25 Jahre lang lagerfähig, auch die autochthonen Sorten Vernatsch und Lagrein.
Die passenden Gerichte zu den gräflichen Rebsäften gibt es gleich nebenan im Restaurant “Miil” (Südtiroler Dialekt für Mühle). Dort kombiniert Küchenchef Othmar Raich Mediterranes mit Alpinem und Tradition und Moderne. Aufgewachsen im Passeiertal und ausgebildet in Meran hat der Vollblutkoch nach mehreren Stationen im Ausland Südtirol als Heimstatt für seinen Genusstempel auserwählt. “Dieser schöne Ort bietet sich für meine regional-mediterrane Küche geradezu an”, schwärmt Raich. 2009 hat er in der denkmalgeschützten Getreidemühle aus dem 14. Jahrhundert seinen Platz der beruflichen Glückseligkeit gefunden.
Auf der Empore und in den kleinen Stuben lassen sich seine Kreationen in bukolischer Atmosphäre genießen. Ist es warm genug‚ schlemmt man unter hohen Bäumen im idyllischen Hofgarten am Mühlenbach. Ob Seeteufel-Sashimi‚ begleitet von gegrillten Auberginen und Marsala-Tomaten‚ Kartoffel-Bärlauch–Teigtaschen mit Büffeltopfen, sautierten Tintenfischen, altem Balsamico und Weißburgundersauce oder das zart rosa gebratene Kalbsrückensteak mit Spargel und Bozener Saucencreme: der ebenso zurückhaltende wie grundsympathische Othmar Reich ist ein perfektionistischer Aromen-Architekt mit einem kulinarischen Selbstverständnis auf höchstem Niveau.
Auch wenn es angesichts dieser Köstlichkeiten schwerfällt‚ sollte man unbedingt genügend Platz im Magen reservieren‚ um das Dessert in Form von Fichtennadel-Honig-Eis auf Waldbeeren mit frischem Waldklee zu genießen.
Fotos: Christian Euler‚ Hotel Schwarzschmied