Margrith ‚Maggie’ Ettlin ist Kapitänin – eine von sechs auf der Welt. Im August 2013 übernahm sie erstmals das Kommando auf einem Expeditionsschiff der Silversea-Flotte.
Kapitänin Ettlin, wie kommt man als Schweizerin zur See? Die Eidgenossen sind nicht unbedingt als Seefahrernation bekannt. Wir Schweizer haben eine Handelsflotte von ungefähr 20 Schiffen (lacht). In meiner Familie hat aber niemand etwas mit der Seefahrt zu tun gehabt. Ich habe im Hotelbereich auf einem Schiff angefangen und schon immer Gefallen an der Technik gefunden. Daher habe ich das technisch-nautische Studium in Pino di Sorrento absolviert und bei Hapag-Lloyd neun Jahre lang in verschiedenen Offiziersrängen, davon mehrere als leitender Chef Offizier gearbeitet. Seit Sommer 2013 bin ich auf der Silver Explorer – als erste Kapitänin auf einem Expeditionsschiff, und nun hier auf der Silver Discoverer.
Wie schwer haben Sie es als „Frau am Steuer“? An Bord eines jeden Schiffes gelten strenge Hierarchien. Das geht auch nicht anders bei über 100 Crew-Mitgliedern, denn oft müssen Entscheidungen schnell getroffen werden, da kann man nicht erst alle um ihre Meinung fragen. Es ist ganz klar eine Männerdomäne – und wird das wohl künftig auch bleiben. Umso schwieriger ist es für eine Frau, sich in diesem Business zu etablieren. Trotzdem habe ich keine schlechten Erfahrungen gemacht. Sprüche wie „Ach, Sie sind der Kapitän? Können Sie das denn?“ gab es bislang nicht. Im Gegenteil: Ich bekomme viele Komplimente. Ich arbeite ich gern mit Männern zusammen.
Was macht die Navigation in Mikronesien so anspruchsvoll? Die Kartenvermessungen stammen teils aus dem zweiten Weltkrieg oder das Gebiet ist schlicht nicht genau vermessen. Das bedeutet, man kann hier nicht einfach drauf losfahren und sicher sein, dass es so tief ist wie angegeben. Zudem herrschen starke Strömungen in der Nähe der Atolle und in Riffpassagen, die mit ihren teils schmalen Einfahrten sehr anspruchsvolle Navigation und ständiges Manövrieren erfordern. Zum großen Teil sind wir ständig am Driften, weil es keinen Ankergrund oder eine Pier gibt. Das ist harte Arbeit.
Wünschen Sie sich da nicht manchmal, einen Ozeanriesen zu steuern? Das wäre sicher mal schön und es wäre relaxter, nicht immer 24 Stunden in Habachtstellung zu sein. Aber es gibt auch bei uns die Abwechslung, wo es ruhiger zugeht und wir normale Häfen ansteuern. Das gibt auch mehr Urlaubsgefühl. Die exotischen Orte sind schön, aber irgendwann will man wieder zurück in die Zivilisation.
Sie haben die Welt schon vielfach umrundet. Wo hat es Ihnen am besten gefallen? Die Antarktis zählt zu meinen Lieblingsgebieten. Nach drei Monaten Schnee, Eis und Kälte reicht es dann aber auch. Und ich bin gern im Südpazifik, aber auch nicht allzu lange. Denn ich mag keine Routine.
Die Schweiz hat bekanntlich auch ihre Reize. Ja, ich genieße das Land – wenn ich zuhause bin. In meinem Urlaub will ich nicht auch noch verreisen.
Was macht für Sie den Reiz der Silver Discoverer aus? Sie ist sehr manövrierfähig, klein und wendig und kann daher in Gebiete vorstoßen, die Gäste von großen Schiffen niemals sehen.
Erinnern Sie sich an besonders gefährliche Situationen? Ich habe heikle Situationen erlebt, die glücklich ausgegangen sind, beispielsweise plötzlich auftretendes schlechtes Wetter oder ein Anker, der nicht hielt. Über Bord ist bei mir glücklicherweise aber noch niemand gegangen. Das mag daran liegen, dass wir – nicht zuletzt wegen des höheren Preises – eine andere Klientel haben. Partygäste, die sich betrinken, gibt es auf Expeditionsschiffen wie diesem nicht.
Sie sind jetzt 46 Jahre alt. Wollen Sie Ihr ganzes Berufsleben auf See zubringen? Sicher, der Job gefällt mir. Außer, es ergibt sich die Gelegenheit, meinen Zweitberuf als Hubschrauberpilotin vollberuflich auszuüben. Mein Traum ist es, als Search & Rescue Helikopterpilotin zu arbeiten, eine Kombination zwischen der See-der Luft und dem Land.
Bilder: Filip Kulisev, Master QEP, FBIPP (www.amazing-planet.com)
[…] Margrith Ettlin (Schweiz): Silversea […]