Jeden Philologen überrascht es immer wieder aufs Neue, wie das emotionsgeladene Geschehen der Börsen und Finanzmärkte in die Alltagssprache hinein projiziert wird. Da bemerken wir zum einem, wie die Geldsphäre von zahlreichen Begriffen aus der Theologie geprägt ist. „Kreditwesen“ kommt zum Beispiel von „Credo“. Aber auch Wörter wie der „Schuldner“ und „Gläubiger“ haben ihren Ursprung in einem religiösen Umfeld. Dass der „Erlös“ von „erlösen“ kommt, ist allen klar, aber auch Begriffe wie „Messe“ (welche, die kirchliche oder die Buchmesse?) oder das gewichtige Wort „Offenbarungseid“ gehören dazu.
Aber nicht nur die christliche Religion, sondern auch die heidnischen Bräuche mit ihren Riten haben ihren Weg direkt in die Sprache der Börsianer gefunden. Wer weiß was „ der dreifache Hexensabbat“ bedeutet? Es steht für das Auslaufdatum für Optionen auf Aktien, Indexoptionen und Futures. Fällt also der letzte Handelstag aller drei Derivatetypen (synthetische Finanzinstrumente) auf den selben Tag, spricht man an der Börse von besagtem „dreifachen Hexensabbat“, auf Englisch „Tripple Witching Day“. Dieser Tag tritt jeweils am dritten Freitag der Monate März, Juni, September und Dezember ein. Auch ohne nennenswerte, wichtige Unternehmensnachrichten bewegen sich die Kurse dann wie wild in alle Richtungen und das bei sehr großem Handelsvolumen und hoher Volatilität. Nie sonst kann man so viel Geld verlieren, nie sonst ist man als Trader selbst mit komplexer Software und ausgetüftelten Prognosesystemen so machtlos.
Der Ursprung des „dreifacher Hexensabbats“ ist zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert zu suchen. Am jenem Tag trafen sich – so der Volksmund – die Hexen mit dem Teufel, um ausgelassen regelrechte Orgien zu feiern.
Hexen und Teufel symbolisieren seit jeher die Urangst vor dem Unbekannten.Es zeigt uns, wie im kollektiven Unterbewusstsein und auch bei den Brokern die irrationale, dunkle Komponente, nämlich der Pakt mit dem Teufel, weiterlebt. Der Verlauf der Börsen wird seit jeher als gefährlich, mysteriös und unvorhersehbar eingestuft. Der große Maestro der Börse, André Kostolany, sagte : „Der Teufel hat die Börse erfunden“.
Also immer an die mit dem Teufel tanzenden Hexen denken, wenn die Faszination schnelle Wetten und Spekulation wieder einmal überhand nimmt. Man sollte wirklich jedem Wort gebührenden Respekt zollen! Denn ein verlustreicher Handelstag wird schnell zu einem „schwarzen Freitag“ und die Begriffe „Rauch“ und „Feuer“ beschreiben dann das, was wirklich an solchen Tagen geschieht. Die Presse drückt sich so aus: „ In wenigen Stunden wurden Milliarden verbrannt.“ Ob es dann noch hilft den „Rettungsschirm“ aufzuspannen, muss jeder schlussendlich für sich entscheiden und beurteilen. Ein Rettungsschirm und eine vernünftige Geldanlage sind jedoch als Paar schwer zu vereinbaren…
Mehr Einblick in die komplexe Welt der Börse mit ihrem unvorhersehbaren Geschehen verleiht auf einfache aber unterhaltsame Weise das Buch „Geld, Geist, Glück: jeder ist seines Reichtums Schmied“ von Irina Reylander erschienen bei Printsystem, Medienverlag.
Irina Reylander
Sagenhaft – herrlich dankeschön für diesen so erhellenden Artikel über den Hexensabbat auf dem Börsenparkett und nicht nur dort……
Der Hexensabbat befindet sind in jedem von uns und will sich austanzen, legen wir ihm das Handwerk und tanzen einfach nicht mit – bleiben wir stark!!!
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