Ecco im Giardino Ascona – Gaumenwonnen für verwöhnte Genießer
Mandarinfarbene Villen, meterhohe Buchse, Orangen-, Zitronen- und Olivenbäume bestimmen die Szenerie. Ein Holzsteg führt über einen Seerosenteich mit zahlreichen Koi-Karpfen. Vorbei an der großzügigen Lobby führt der Weg in den blühenden Garten, dem das feine Hotel seinen Namen zu verdanken hat: Il Giardino heißt das Hideaway in Ascona am Lago Maggiore. Die Entourage der deutschen Fußballnationalmannschaft wusste ganz genau, warum sie die Elite-Kicker während der EM 2008 genau hier unterbrachte.
Neben Wellness wird in dieser mediterranen Hoteloase im sonnenverwöhnten Tessin vor allem die Kulinarik groß geschrieben. Grund genug, die sternegekrönte Küche Rolf Fliegaufs im Restaurant „Ecco“ genauer unter die Lupe zu nehmen.
Der 33-jährige, der sich selbst als „extrem ehrgeizig“ bezeichnet, kocht bereits seit 2007 im Restaurant Ecco im Giardino Hotel Ascona. Ebenso wie im „Ecco on Snow“ in Champfèr, wo er im Winter anspruchsvolle Gourmets beglückt, hat er auch im Tessin zwei Michelinsterne erkocht und ist damit der einzige Doppelsternekoch in der Schweiz. Michelin kürte ihn bereits zwei Jahre nach seiner Zepter-Übernahme im „Ecco“ mit zwei Sternen und machte ihn im zarten Alter von 29 Jahren zum jüngsten Zweisternekoch Europas.
Schon als Kind stand der gebürtige Schwabe lieber in der Küche seiner Eltern als mit seinen Kameraden auf dem Spielplatz. Wichtige Stationen in seiner Karriere waren Harald Wohlfahrts „Traube Tonbach“ in Baiersbronn, „The Fat Duck“ des britischen Meisterkochs Heston Blumenthal sowie die Sylter „Veneto“ und „Gogärtchen.“
Regionalität ist Fliegauf wichtig, aber nicht um jeden Preis. Das wäre auch gar nicht möglich, schränkt er ein, denn dafür sei das Tessin zu klein. Abseits der Ecco-Küche mag der zurückhaltende Küchenkünstler, der in seiner knappen Freizeit gern mit dem Motorboot über den nah gelegenen Lago Maggiore fährt, vor allem frische Pasta in allen Variationen. Nach anfänglichen Ausflügen in die Molekularküche konzentriert sich der Nördlinger längst voll auf die differenzierte Herausarbeitung der Aromen.
Die Gourmandise beginnt mit einer ausgezeichneten Gänselebercreme als Ring, die mit der Roten Beete als Gel, eingelegten Scheiben und Krokant, sowie den geräucherten Gänseleberspäne und Kümmelkaramell eine atemberaubende Symbiose eingeht. Die Karotte in den verschiedensten Texturen und Aggregatzuständen bestimmt den ersten Appetitanreger: als Creme mit Curry, gepickelt und als Baiser, daneben Karottengrün und Süssholzsud mit Öl von Karottengrün. Dazu ein mit Süssholz gebeiztes Filet vom Bachsaibling und Saiblingsrogen.
Nicht minder intensiv geht der Reigen weiter. Optisch eine Augenweise und geschmacklich eine Offenbarung ist das Holzkästchen mit Stroh, auf dem ein Hühnerhautchip mit Innereiencreme, getrocknetem Eigelb und Schnittlauch serviert wird. Originell: Neben dem dunklen Brot werden Salzflocken, Butter-Rahm und Kresse nebst goldener Manikürschere zum Selberschneiden, gereicht.
Auf einem Maggiastein präsentiert Fliegauf einen Pumpernickelkrokant mit Kräutercreme, Morchelcrumble, gepickelter Shimeji Pilz, wilde Kräuter & Blüten, der uns in Verzückung geraten lässt.
Noch immer hat das eigentliche Menü nicht begonnen. Denn zuvor gibt es als Amuse Bouche eine roh marinierte Jakobsmuschel mit Salzzitrone und Haselnussöl, Reiscreme, winzigem Puffreis aus dem heimischen Risottoreis und verschiedene haarfein ausgestochene Salate.
Dann bringt das motivierte Serviceteam unter der Leitung von Jennifer Strube, der Lebensgefährtin Fliegaufs, den ersten Gang an den Tisch, der einmal mehr höchst filigran angerichtet ist: Eine Entenleberterrine im Räucheraalmantel, Entenlebereis mit Schnitte von der gebratenen Entenleber, gepuffte und karamellisierte Hirse, Crème vom Granny Smith, frischer ausgestochener Apfel und –stifte und Brunnenkresse in Pinienkernvinaigrette. Es ist ein Hochgenuss, sich durch die verschiedenen Texturen zu schlemmen. Schade nur, dass der blitzsaubere Petite Arvine vom Walliser Top-Weingut Histoire d’Enfer gegen die Entenleber seine Trümpfe auszuspielen. Mindestens eine Auslese hätte es sein müssen, um dagegen Paroli bieten zu können.
Trotz der vielen unterschiedlichen Komponenten keinesfalls überladen wirkt auch der nächste Gang: Langoustino-Tatar und Langoustinocreme, Mandelemulsion, geräucherte Mandel, Algenchips, frischer Estragon, geeiste Estragonperlen und verschiedene Kräuter. Schon die Estragonperlen reichen zur Sensation. Sie schmelzen augenblicklich im Mund und geben ein verblüffendes Aroma frei.
Es folgt ein Sous Vide gegartes, in Nussbutter glasiertes Zanderfilet mit Flusskrebsschwänzen, Flusskrebssud, Erbsenpüree und Biogemüse in verschiedenen Konsistenzen: roh, glasiert, mariniert sowie gegrillt. Separat dazu eine Meerrettichsauce mit Felchenrogen, frischem Meerrettich, Zitrone und Schnittlauch – einmal mehr ein virtuoses Spiel mit Aggregatzuständen und Geschmacksnuancen. Hier stimmt die Wahl des Weins. Der mineralische-duftige 2011er Chablis aus der Domaine William Fèvre bildet mit seinen schönen Zitrus- und Vanillenoten das harmonische Pendant.
Als Dessert greift Küchenkünstler Fliegauf noch einmal den Maggiastein als Reminiszenz an die Region auf, dieses Mal als Stein aus Kakaobohnenmousse mit flüssigem Himbeerkern, Kakaobohnencrumble und -tuille, frischen Himbeeren, Himbeergel und verschiedenen Kräuter. Ein Sud aus Sauerampfer und Eisenkraut rundet das mustergültige Texturenspiel handwerklich perfekt ab.
In der Folge stehen verschiedene Spielarten von Bärlauch und Mais im Mittelpunkt. Aufs edle Porzellan kommt eine Roulade von der Perlhuhnbrust im Speckmantel, dazu geschmorte Keule als Taler, Maiscreme, Maispraline, Mais-Espuma, Spargelspitzen, „Spargelspaghetti“, gebundene Bärlauchsauce, frischer Bärlauch, Bärlauchblüten und Maiscrunch – ein Aromenfeuerwerk, das dank ihrer enormen sensorischen Breite überzeugt.
Rolf Fliegauf versteht sich vielmehr als Koch und Dienstleister, der seine Gäste zufriedenstellen will, denn als kapriziöser, sich selbst verwirklichender Küchenkünstler. Seine fein abgestimmten, stets konsequent durchgearbeiteten Kompositionen zeigen das aufs angenehmste.
www.giardino.ch, Via del Segnale 10, 6612 Ascona, Schweiz
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