Es waren wohl gleich mehrere gute Gründe, warum Christophe Muller nach München ins Sofitel Bayerpost gekommen ist. Zunächst hatte der Nachfolger von Kochlegende Paul Bocuse die Ehre, das Debut für eine neue Reihe des Bayerpost-Restaurants zu geben: Viermal im Jahr bestimmen berühmte Gastköche eine Woche lang die Speisekarte des „Délice la Brasserie“. Obendrein konnte er seinen neuen Ferrari – ein Geschenk seiner Frau zum 19. Hochzeitstag am 14. Juli – auf deutschen Autobahnen mal so richtig ausfahren. In seinem Sportwagen liebt Muller die Geschwindigkeit, in der Küche liegt sein Fokus auf erstklassigem Handwerk.
Maître Christophe ist seit 20 Jahren Küchenchef in der Auberge du Pont de Collonges bei Lyon, das dem Kochmythos Paul Bocuse gehört und seit 1965 drei Sterne im Michelin bekommt. Kein anderes Restaurant hat das je geschafft. Kein Wunder, dass die Auberge schon vor Jahrzehnten zur Pilgerstätte von Gourmets aus aller Welt geworden ist. Der 89 Jahre alte “Monsieur Paul” schläft dort im ersten Stock. Er ist sehr krank, erzählt uns Muller, der selbst mit drei Michelin Sternen dekoriert ist und sich seit 2000 als herausragender Vertreter seiner Zunft Meilleur Ouvrier de France nennen darf.
Mit seiner weißen Chefjacke, deren Kragen – wie könnte es anders sein – die Farben der Trikolore ziert, verschwindet er in der Küche des Bayerpost-Restaurants, um den kulinarischen Reigen zu eröffnen. Sieben Gänge sollen es werden – genau wie in seiner Auberge du Pont de Collonges. Ein bei 44 Grad im Sous-Vide Verfahren gegarter Label Rouge Lachs mit skandinavischer Sauce macht den Anfang: unprätentiös, doch genau richtig, um Lust auf mehr zu machen. Dazu ein biologisch erzeugter weißer (!) Châteauneuf du Pape Chateau Mont-Redon 2014, fruchtig-dicht mit erfrischender Säure. Markus Hirschler, der junge Sommelier des Restaurant Délice La Brasserie, versteht sein Handwerk. Die Weinbegleitung hat er eigenständig ausgearbeitet und an den Maître in Lyon geschickt, der sich ganz und gar zufrieden zeigte – ein Ritterschlag für den sympathischen Österreicher.
Mustergültig französisch, schnörkellos und ganz in der Tradition seines Mentors Paul Bocuse bringt Muller die gebratene Stopfleber mit Grapefruit-Filets und Artischocken-Chips aufs edle Porzellan. Polenta und Erbsen als Beilage machen den üppigen Gang zur superb mundenden Kalorienbombe. Sommelier Hirschler reicht dazu – im Gegensatz zu seinen meisten Kollegen – keinen Süßwein zur Stopfleber. Gleichwohl ist der „Petit Ours Blanc“ 2013 von Matthieu Barret mit seiner fruchtigen Note eine vorzügliche Begleitung, die der Stopfleber genügend Raum zur Entfaltung lässt.
Es folgt ein im Martiniglas servierter glasierter Hummer in geliertem Pouilly-Fuissé, Sauercreme und Kaviar obenauf, dazu kleine, essbare Blüten. Im unten etwas Sauercreme, darauf der Hummer in einer eleganten Fischsülze mit Estragon, die nicht fest wie Aspik war, sondern natürlich geliert, perfekt geklärt und abgeschmeckt. Mit etwas Sauercreme und Kaviar obenauf. Leider enthält das Gelee zu viel Estragon, der das feine Spiel der Aromen übertönt.
1975 wurde Koch-Ikone Paul Bocuse im Elysée-Palast vom damaligen französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Grund genug für den Jahrhundertkoch, die Suppe V.G.E. mit den schwarzen Trüffeln unter dem goldgelben Blätterteighut zu kreieren. Die vielfach reduzierte Consommé hat bei den Aficionados der Haute Cuisine längst Legendenstatus erreicht. Der im Holz ausgebaute, komplexe „Les Vieux Clos“ 2012 von Nicolas Joly aus Savennières an der Loire ist gewagt, punktet aber dank seiner Saftigkeit und ist aufgrund seiner gut eingebundenen Säure ein stilsicherer Begleiter.
Ein Highlight ist das Rotbarbenfilet mit Kartoffelschuppen, angerichtet auf einem genialen Kalbsjus und einer Orangesauce. Faszinierend dicht und tief, besser geht’s nicht. Genau das ist die klassische französische Haute Cuisine, die Christophe Muller auf höchstem Niveau zelebriert. Ebenso hervorragend die Weinwahl von Markus Hirschler, der dazu einen 2012er Marchesi de Frescobaldi „Pomino Bianco Riserva“ serviert.
Angesichts der Fülle der Gänge darf man fast froh sein, dass die Muller’sche Küche keine Amuse Gueules vorsieht – trotz ihrer französischen Etymologie. Eine Assemblage feinst durchgearbeiteter Komponenten ist auch das Feuillette von der Taube mit Trüffeljus, Stopfleber und Wirsinggemüse. Die Keule von der Taube ist perfekt gebraten.
Zum ersten und einzigen Mal an diesem Abend gibt es mit dem 2008er Côte Rôtie von Chapoutier einen Rotwein. Aperçu am Rande: Michel Chapoutier baut diesen Wein mit Dreisterne-Chef Yannick Alléno aus, der seinen Freund für einen der besten Winzer Frankreichs hält. Vom nahenden Abschied kündet ein Trio von der Zitrone: Als Macaron, Limoncello und als nicht zu süßes Limonen-Soufflé.
Unter dem Titel “THE LINK” wird das Sofitel Bayerpost weitere international bekannte Spitzenköche an die Isar locken, die gemeinsam mit Anton Gschwendtner die Kunst des Kochens. Für den Lokalmatador, seit April Chef de Cuisine im Gourmetrestaurant des Sofitel Bayerpost, ging an der Seite von ein Christophe Muller ein Herzenswunsch in Erfüllung. “Der kriegt den nächsten Stern hier”, glaubt Maître Christophe – mit gutem Grund.
Fotos: Christian Euler, Sofitel
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