Balthasar Ress gehört zu den alteingessenen Weingütern im Rheingau. Unter der Leitung von Christian Ress sind die Hattenheimer auf dem besten Weg zum Spitzenerzeuger.
Ursprünglich verdiente die alteingesessene Hattenheimer Familie Ress ihr Geld mit dem Metzgerhandwerk. Mit der Gründung des Gasthofs Ress legte Balthasar Ress 1870 den Grundstein für das spätere Spitzenweingut. Im gleichen Jahr entstanden die ersten eigenen Weine. Die Marke “Von Unserm“ wird bis heute für den beliebten Gutswein verwendet. Die strategische Linie des Gutes verantwortet seit 2010 in fünfter Generation Christian Ress, der elf Jahre zuvor nach mehreren beruflichen Stationen im In- und Ausland im Familienweingut anheuerte. Für Aufsehen sorgte sein 3000 Quadratmeter großer Weinberg in Keitum auf Sylt am 55. Breitengrad. Für viele nur ein Marketing-Gag, sieht Ress darin vor allem eine Herausforderung. Weil die Natur im hohen Norden stark im Rückstand ist, bepflanzte der 40-jährige den Rebgarten mit Solaris-Trauben. Die erste Lese im vergangenen Jahre brachte einen leichten Tropfen im Sauvignon-Stil hervor.
Abseits solcher Spielereien gibt sich Ress überaus ambitioniert. So bedeutet Qualität für ihn auch die allmähliche Umstellung seiner insgesamt 46 Hektar Rebfläche auf biologischen Anbau. Der Vollblutwinzer verspricht sich davon spannendere, lebendigere und auch authentischere Weine, die möglichst ohne Eingriffe im Keller auskommen sollen.
Zur Seite steht ihm dabei Weinmacher Dirk Würtz, der in der Branche einen exzellenten Ruf genießt. Würtz verschrieb sich zunächst der Betriebswirtschaft, Politologie und Philosophie, bevor er sich als Kellermeister im nahe gelegenen Weltklasse-Weingut Robert Weil als Kellermeister seine ersten Meriten als Weinmacher verdiente. Bevor er Anfang 2009 er als Berater im Hause Balthasar Ress begann, führte er einen eigenen kleinen Betrieb im rheinhessischen Gau-Odernheim. 2011 stieg er im Hattenheimer Traditionsweingut zum Betriebsleiter auf und verantwortet seither zusammen mit Christian Ress die Marschroute in Weinbergen und Keller. Heute ist Würtz der Master-Mind hinter den kompromisslos trocken ausgebauten Ress-Rieslingen, die er bewusst gegen den regionalen Trend zu mehr Restzucker stellt.
2013 unter der Lupe
„Der Jahrgang 2013 zeichnet sich durch viele Extreme aus, bringt es Christian Ress auf den Punkt. Angefangen hat das Jahr viel zu kalt, viel zu nass und viel zu dunkel, die Vegetationsphase in den Weinbergen begann sehr spät. Einen echten Frühling gab es quasi nicht”, berichtet Ress. Es folgte ein kurzer und heftiger Sommer mit teils tropischen Temperaturen. Doch das war nur das Präludium, denn „wirklich dramatisch“ wurde es im Oktober, der zu einem der regenreichsten Monate überhaupt wurde. Rund 150 Liter Regen und damit mehr als ein Viertel der normalen Jahresmenge. Ress: „Derartige Niederschlagsmengen braucht zu diesem Zeitpunkt niemand.“
Die Riesling-Ernte begann somit erst am 15. Oktober, so spät wie noch nie seit Beginn des neuen Jahrtausends. „An ein früheres Ernten war aufgrund der niedrigen Mostgewichte, der hohen Säure und des nicht vorhandenen Aromas nicht zu denken“, sagt der Winzer, der erst als die Trauben auch tatsächlich schmeckten, grünes Licht für die Ernte gab. Letztlich war er zwar mit den sind wir mit den geernteten Qualitäten zufrieden, aber gab es auch eine andere Seite der Medaille. Sein Streben nach natürlichen und aromatischen Weinen wurde mit einer der kleinsten Ernten in der Geschichte des Weinguts „bestraft:“ Ress’ Mannschaft brachte nur knapp 50 Hektoliter pro Hektar in den Keller. „Wenn wir die gärenden Moste und die ersten Weine probieren, merken wir sofort, dass dieser Weg der richtige war. Es ist bereits jetzt eine fantastische Intensität zu schmecken“, freut sich Christian Ress heute und zeigt sich zuversichtlich, dass der 2013er Jahrgang in der Qualität den vorausgegangenen Jahren in nichts nachstehen wird.
Erste Kostproben zeigen: Der Fokus auf Qualität statt Quantität hat sich gelohnt. Ein objektiveres Bild über die individuelle Handschrift des Weinguts Balthasar Ress geben indes die etwas älteren Jahrgänge, die wir hier näher beleuchten wollen.Mit nur 8,5 Prozent Alkohol ein perfekter Wein für laue Sommerabende ist der Riesling Kabinett aus dem Hattenheimer Schützenhaus. Noten von Litschi, gelbem Apfel und Mandarine sowie seine frische Leichtigkeit verführen schnell zu mehr als einem Glas.
„Von Unserm S Riesling trocken“ ist eine Spitzencuvée aus den ältesten Rebgärten des Gutes. Die Trauben werden spät und sehr selektiv gelesen. Im Glas hellgelb mit grünen Reflexen, zeigt sich der Wein in der Nase fruchtig mit Anklängen von Limetten und grünem Apfel. Mit seiner frischen Säure und Mineralität präsentiert er sich als klassischer Rheingau-Riesling.
Große Lage – großer Wein
Auch für höchst anspruchsvolle Wein-Aficionados stets eine Versuchung ist der „Hattenheim Nußbrunnen Riesling Große Lage trocken“. In der Lesart von Balthasar Ress sind „Große Lagen“ jene klassifizierten Parzellen, die dank des Mikroklimas und der Bodengeologie – tiefgründige Lehm-Löß-Böden mit ihren wasserundurchlässigen Schichten im Untergrund garantieren einen exzellenten Wasserhaushalt – besonders hohe Qualitätspotentiale aufweisen. Wir hatten einen 2011er im Glas. Goldgelb strahlend duftet er betörend nach weißen Pfirsichen und Zitrusfrüchten. Im Gaumen entfaltet sich eine kraftvolle Mineralität, flankiert von einem komplexen Säurespiel und unterlegt mit seiner natürlichen Restsüße. Langer, nachhaltiger Abgang.
Noch eine Spur intensiver, facettenreicher und mit noch mehr Dichte präsentiert sich die Große Lage aus dem Rüdesheimer Schlossberg, der mit einer Steigung von 70 Prozent die steilste Weinberglage im Rheingau. Dort ist die Sonneneinstrahlung besonders stark, sekundiert von Schiefer und Taunusquarzit, die tagsüber die Wärme speichern, um sie nachts an die Reben abzugeben.
„Im Keller gärt es zum Glück und einige wichtige Weine nähern sich nun endlich der Zielgeraden – also dem trockenen Bereich“, freut sich Gutschef Christian Ress. Wir sind gespannt – und nach den Proben der Vorjahre schon jetzt überzeugt, dass das Weingut Balthasar Ress auch mit dem jüngsten Jahrgang ein gutes Stück näher an die Spitzenweingüter im Rheingau heranrücken wird. Der Gault Millau bringt es so auf den Punkt: „Mit dem aktuellen Jahrgang bestätigt sich der jüngst vollzogene stilistische Wandel. Die Weine werden spontan vergoren, bleiben lange auf der Vollhefe und gewinnen zunehmend an Individualität.“ Fortsetzung folgt…