Es ist ein durchaus illustres Völkchen, das sich im weißen Gründerzeit-Prunkbau des Atlantic Kempinski Hamburg tummelte. Ob Romy Schneider, Helmut Schmidt, Michael Jackson, die Rolling Stones oder der Schah von Persien. Selbst James Bond turnte 1997 auf der Weltkugel auf dem Dach in Gestalt von Pierce Brosnan für “Der Morgen stirbt nie” herum.
Udo Lindenberg ist seit 1995 Dauergast. „Panikzentrale“, nennt der Deutschrocker die Gemächer seiner Suite. Als „lindischen Ozean“ bezeichnet er den Hotel-Pool, der nachts für ihn aufgeschlossen wird. Seine mit Likör gemalten Bilder – die sogenannten „Likörelle“ – schmücken die Galerie im Erdgeschoss – eine Revolution in der Luxushotellerie, denn nur ein paar Schritte weiter hängen längst in die Jahre gekommene Historienschinken auf Stofftapeten. „Ich brauche Trubel und Ruhe – im Hotel finde ich beides“, sagte Lindenberg schon vor Jahren dem Focus, „die Lobby ist wie eine Bühne, man erlebt den großen Auftritt und den betretenen Abgang.“
Die Geschichte des Atlantic Kempinski reicht zurück bis in die Anfänge des vergangenen Jahrhunderts. 1909 als Grand Hotel eröffnet, war es zunächst ein Ruhe-Refugium für gut betuchte Erste-Klasse-Passagiere der Luxusliner. Eine Hommage an die Zeit der Atlantik-Überquerungen sind heute die Kleiderschränke in Form historischer Kofferschränke und die Jugendstillobby.
Seit 1957 gehört das Haus zu Kempinski. 2009 fiel es beim elitären Club der „Leading Hotels of the World“ wegen mangelnder Qualitätsstandards durchs Raster. Grund genug für eine umfassende Renovierung im Jahr 2011, die sich der Besitzer 30 Millionen Euro kosten ließ und die Panik-Udo kurzzeitig ins Royal Meridien flüchten ließ. Seit dem Umbau präsentiert sich die Edelherberge mit ihren 245 Zimmern und Suiten in neuem Gewand und purer Zeitlosigkeit – nach drei Jahren Unterbrechung wieder versehen mit fünf Sternen.
Für die Gastronomie im Hamburger Traditionshaus ist Küchendirektor André Trojanowski verantwortlich. Knapp 40 Köche stehen unter seiner Obhut und sorgen für Bankette, das Frühstück im Salon mit Alsterblick, den Business-Lunch im schönen Sommeratrium und die Speisen in der Atlantic Bar. Seine Karriere reifte in Luxushäusern wie dem Waldorf Astoria, dem Ritz Carlton oder dem Palace in Berlin. Traditionen pflegen und neue kreieren, am besten unter Einbindung hanseatischer Elemente, lautet sein Anspruch.
Mediterran – maritim – klassisch, lautet die kulinarische Marschroute im Atlantic Restaurant, laut Guide Michelin „geradezu das Wohnzimmer für weite Teile der hanseatischen Gesellschaft.“ Signature Dish ist die längst zum Klassiker gewordene Hummersuppe. Pop-Urgestein Rod Stewart wollte 2003 partout das Rezept, das der damalige Küchenchef Sven Büttner wie einen Gral hütete. Bis zu diesem Zeitpunkt, denn der Sänger mit der Reibeisen-Stimme sollte es bekommen, doch musste er versprechen, es nur höchstselbst zu verwenden.
Zum Dank lobte er die feine Kostbarkeit, die vier Stunden Vorbereitungszeit benötigt, 2011 in einer Fernsehsendung als „beste der Welt.” Zwei Jahre später gingen im Atlantic Restaurant genau 2453 Hummersuppen à 26 Euro über den Pass. Was die Rezeptur betrifft, hat die Suppe mittlerweile ihre Unschuld verloren. Das Rezept ist nach wenigen Klicks im Internet zu finden.
Rod Stewart und sein Gespür für die Hummersuppe ist nur eine Anekdote, die Restaurantleiter Wilfried Kopf zum Besten gibt. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet der gebürtige Wiener im Atlantic-Restaurant mit Alsterblick. Zahllose Berühmtheiten hat er bedient. “Diskretion hat hier höchste Priorität”, antwortet er schmunzelnd, als wir ihn nach weiteren Episoden mit Stars und Sternchen fragen – um schließlich doch eine Ausnahme zu machen. Betört vom Service gab ihm Hollywoodstar Goldie Hawn ein Küsschen auf die Wange.
Das Lob aus prominentem Munde trifft den Nagel auf den Kopf. Das Team von Maître Kopf, allen voran die bezaubernde Tessa Dittmann, agiert souverän, unverkrampft und ausgesprochen freundlich. Herr der Herde im Atlantic Restaurant ist Alexander Djolai, der seine Meriten in den Gourmet-Tempeln Villa Rothschild (zwei Michelin-Sterne), der ‘Alten Post’ in Bad Neuenahr (zwei Sterne) und ‘Bembergs Häuschen’ in Euskirchen (ein Stern) verdiente, wo er zuletzt als Souschef tätig war. Seit März führt er an der Alster Regie.
Aufmerken lässt bereits das Amuse-Bouche in Form einer Kaltschale aus Perlzwiebeln, Pilzen, grünem Spargel und Joghurt mit Gurke und Dill. Auf hohem Niveau geht es weiter mit dem 36 Stunden lang gegarten Schweinebauch mit weißen Bohnen, Buchenpilzen und eingelegten Pfirsichen in einem Curry-Apfel-Sud. Handwerklich perfekt zubereitet, zergeht das Fleisch unter der Kruste förmlich auf der Zunge.
Sehr fein ist auch der Steinbutt mit Riesen-Cous Cous, Algen und Meursault-Butter. Wer es nicht lassen kann, ordert dazu Kaviar Prunier Tradition. Das Tatar vom holsteinischen Rind mit seinen mehr als einem Dutzend Zutaten wird ebenso wie das Crêpe Suzette zum Ausklang werden am Tisch zubereitet – von Restaurantleiter Wilfried Kopf persönlich.
Auf außergewöhnliche Art lässt sich der Tag im Kleinstkino “Private Max“ beenden. Bis zu acht Film-Fans können hier auf 35 Quadratmetern ihren ganz privaten Kinoabend erleben. Kreiert hat das winzige Lichtbildtheater – wie könnte es anders sein – Udo Lindenberg. Der Clou:“Private Max“ steht auch jenen Hotelgästen offen, die sich nicht über Jahre hinaus eingemietet haben.
Fotos: Atlantic Kempinski, Christian Euler