Drei Michelin-Sterne mit jungem Gemüse. Das kann nur der Franzose Alain Passard (62). Seit nunmehr 22 Jahren hält er seine drei Sterne in seinem Gourmettempel „L’Arpège“ – und das obwohl der Küchenkünstler im Jahr 2001 Fleisch von seiner Speisekarte verbannte.

In mittlerweile drei Restaurant-eigenen Gemüsegärten baut er seine Zutaten selbst an. Passard, der kein Auto fährt, „ich arbeite vom Nachmittag bis in die Nacht, da habe ich keine Zeit für ein Auto“, war zuletzt Protagonist der Netflix-Doku-Serie „Chef’s Table“, die ihm eine ganze Folge widmete.

Das Interiew entstand am Attersee im „Forstamt“, dem Wohnsitz der bekannten Wein- und Delikatessen-Familie Wolf. Katharina (33) und Konstantin Wolf (27), die Kinder des Wein-Papsts und „WeinArt“-Gründer Carlo Wolf (†67, u.a. Gründer von „Pommery Deutschland“, „Grand Cru Select“) haben dessen Erbe angetreten und sind jetzt mit dem Wein- und Delikatessen-Handel „KATE & KON“  in seine Fußstapfen getreten.

 

Alain Passard: Top-Koch ohne Allüren
(c) G. Prado

 

Heute bekommen wir alles zu essen, überall und immer – ist das okay so?

Passard: „Viele Menschen empfinden das als Luxus. Aber die sehen nicht die Probleme, die wir uns damit schaffen. Eine Erdbeere im Dezember im Supermarkt zu einem Dumping-Preis ist alles andere als okay. Es ist eine Sünde. Warum müssen wir diese aus Marokko oder Südspanien quer durch Europa transportieren? Was für ein Irrsinn. Und man muss sich einmal ansehen, was dadurch in den Regionen passiert, wo diese industriell angebaut werden, das sieht schlimm aus. Nein, es ist nicht okay. Wir müssen wieder hin zur saisonalen Ernährung, für unsere Körper, für unsere Umwelt.“

Glauben Sie, dass Alle das mitmachen können und werden?

Passard: „Selbstverständlich nicht unmittelbar. Das ist ein Prozess. Aber ich glaube fest daran, dass es bereits ein Umdenken beim Essen gibt, in Richtung Qualität und Tierwohl. Es ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Bio und Fairtrade sind schon beinahe Standard. Das mit der Saisonalität wird auch schon viel in meinem Bekanntenkreis umgesetzt, aber dafür bedarf es noch Zeit. Das muss sich entwickeln, da hat der Staat eine Pflicht, aber auch die Familien, Eltern, die Schulen, die Landwirtschaft und der Handel werden sich bewegen müssen.“

Was kann der Staat denn machen?

Passard: „Da passiert in viele Richtungen etwas. Betrachten sie die Geschichte rund um das Gift Glyphosat. Gesetze werden strenger werden, zum Schutz der Verbraucher, und das wird die Qualität unser Lebensmittel steigern. Das ist das eine, aber ich beobachte zunehmend auch die Renaissance des Gartens. Egal wo, die Leute bauen wieder selbst an und wollen das Gefühl haben, etwas qualitativ Hochwertiges geschaffen zu haben und es dann genießen.“

 

Alain Passard: Drei Sterne mit Gemüse
(c) G. Prado

 

Wie stehen Sie zu Fett und Zucker, die viel in der Kritik stehen, dick und krank zu machen?

Passard: „Fett und Zucker sind nicht per se schlecht. Es ist wie mit anderen Genussmitteln – das Maß muss einfach nur stimmen. Hier sind die Eltern und die Familien wie auch die Schule gefordert. Viele haben die Möglichkeit mit ihren Kindern mal ein Stück Gemüse anzubauen und es dann zu ernten mit ihnen. Macht das, und ihr werdet sehen, eure Kinder essen es mit Freude. Schluss mit der Überholspur, Zeit für Zutaten und Zubereitung muss wieder her. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Kinder im Supermarkt den Eindruck bekommen, dass das Fleisch in der Kühltruhe und die Erdbeeren auf dem Grabbeltisch wachsen. Es ist nicht selbstverständlich, dass es alles immer gibt. Schlechte Ernährung ist ein Problem, das uns alle einholt. Wenn sie mich fragen, was die Zukunft sein wird: Wieder mehr Respekt vor gutem Essen.“

Was ist die Zukunft des Fleisches?

Passard: „Wir werden noch lange Fleisch essen, aber zunehmend Qualität. Das sind auch die Erfolgsgeheimnisse von jungen Labels wie hier KATE & KON. Qualität statt Quantität. So wie es derzeit läuft geht es nicht mehr allzu lange weiter. Fleisch hat seinen Preis und wird ihn wieder haben müssen, im Interesse der Tiere und der Umwelt. Mit dem Fleisch wird es sein wie mit Obst und Gemüse. Alles zu seiner Zeit, hochwertig und frisch, nämlich saisonal. Weniger und bedachterer Fleischkonsum, wasserhaltiges Obst in den Sommer sowie festes Gemüse in die dunkle Jahreszeit.“