Very British ist die Begrüßung im Londoner One Aldwych Hotel nicht. Kaum eingetreten, steht dem Besucher ein Hund gegenüber, der auf den Namen Spencer hört. Doch Angst vor dem allzu schnellen Biss ins Bein ist unbegründet, denn der Vierbeiner ist eine Pappmaché-Skulptur, deren oberste Schicht mit Beano-Comics beklebt wurde.
In der Lobby mit ihren hinreißenden Blumenbouquets, die vom hoteleigenen Floristen Tag für Tag erneuert und neu erfunden werden, thront im Zentrum André Wallace´s Skulptur „Boatman with Oars“: ein großer Mann in einem kleinen Boot mit riesigen Rudern.
Der in kleinen Quadraten verspiegelte Fahrstuhl leuchtet je nach Tageszeit in anderen Farben und führt schnell zu weiteren Kunstwerken. Nur einen Stock höher hängen vor dem Eingang zum Restaurant „Indigo“ gleich mehrere Gemälde von Richard Bartle. Im Innern blickt man auf „Toast for Breakfast, Toast for Lunch, Toast for Tea and More…“ – eine Montage von Tracey Davidson, bestehend aus 192 verbrannten, in Wachs gebadeten Toastscheiben. Auf der gegenüberliegenden Seite schweift der Blick vom Balkon des Restaurants auf die Lobbybar und das berühmte Lyceum Theater mit seinen gelben Fahnen, in dem ‚The Lion King’ gegeben wird.
Das zu den Leading Hotels of the World gehörende One Aldwych, das auch Stars wie Brad Pitt schätzen, wurde 1907 für die Zeitung „The Morning Post“ erbaut und war eines der ersten Häuser Londons mit Stahlkonstruktion. Hier einzuchecken macht nicht zuletzt für Kulturbegeisterte Sinn, denn im hoteleigenen Kino werden ausgebuchte Inszenierungen der nur einen Steinwurf entfernten Royal Opera übertragen. Draußen vor der Tür findet man sich im Herzen von Covent Garden mit seiner Vielzahl von Theatern – das Drury Lane ist eines der ältesten der britischen Hauptstadt.
In den ehemaligen Jugendstilhallen des namensgebenden Marktes mit seinem gläsernen Dach befanden sich im 17. Jahrhundert der Londoner Obst-, Gemüse- und Blumenmarkt, Schauplatz von George Bernard Shaws ‚Pygmalion’ und des daraus abgeleiteten Musicals ‚My fair Lady’. Heute finden sich dort Geschäfte, Boutiquen, Cafés, Pubs und Restaurants. Auf der Piazza buhlen Jongleure, Straßenmusiker, Pantomimen und Tänzer um die Gunst der Zuschauer – mit gutem Grund, denn Covent Garden ist das einzige Viertel in der Metropole, in dem Straßenkunst aufgeführt werden darf.
Dass das One Aldwych nicht nur eine Herberge für gut betuchte Touristen ist, zeigen die vielen Einheimischen, die sich tagsüber zur English Tea Time und abends auf einen Aperitif an der Bar treffen, die der ‚Sunday Telegraph’ zu den fünf besten Hotelbars der Welt zählt. Dort führt seit fünf Jahren der mehrfach preisgekrönte Portugiese Pedro Paulo Regie. Seine Cocktail-Karte ist geprägt von Saisonalität und lokalen Bezügen.
‚Gardeners Infusion’, nennt er den herrlichen Mix aus Hendricks Gin, weißem Portwein, Zuckersirup aus Martinique, Rosen-Limonade und flüssigem Koriander. Der in einem mexikanischen Krug präsentierte ‚Mexican Heat’ wiederum besteht aus Tequila Ocho, QuiQuiRiQui-Mezcal, Granatapflel-Likör, hausgemachtem Guaven- und Pflaumensirup sowie Limone.
Einen Stock tiefer, erreichbar über eine ins Auge springende Treppe aus Kupfer beherbergt das Hotel seit Anfang September mit dem ‚Eneko at One Aldwych’ ein Konzept-Restaurant. Namensgeber ist der Baske Eneko Atxa, der in seinem „Azurmendi“ in Bilbao drei Michelin-Sterne erkochte. In der Liste ‚The World’s 50 Best Restaurants’ rangiert das erste ökologisch nachhaltige Restaurant Spaniens auf Platz 16 unter den 50 Besten der Welt.
Atxa, 1977 geboren, sieht sich ganz in der Tradition großer spanischer und baskischer Chefs – allen voran Starkoch Ferran Adrià. Mit 15 Jahren trat er seine erste Stelle in einem kleinen lokalen Gasthaus an, machte mit 17 sein Kochdiplom, und arbeitete kurze Zeit später erstmals in einem baskischen Sterne-Restaurant, dem „Andra Mari“ in Galdaka. Verfeinert hat er seine Kunst bei den 3-Sterne-Köchen Martin Berasategui und dem Japaner Yoshihiro Murata. Jung, dynamisch und unprätentiös – das sind die Schlagworte, mit denen der charismatische Baske mit den kurzen, schwarzen Locken und Piercings seine Küche beschreibt.
Im ‚Eneko at One Aldwych’ trifft baskische Ursprünglichkeit auf britische Eleganz. Die Materialien für das von Casson Mann gestaltete Interieur stammen größtenteils aus dem Baskenland. Das Ambiente mit seinen Tischen aus baskischem Kastanienholz ohne Decken ist ebenso unaufgeregt wie das Service-Personal, das die Gerichte ohne die sonst üblichen komplexen Erläuterungen an den Tisch bringt – passend zum Motto des 39-Jährigen: „Wer miteinander isst, ist miteinander verbunden. Da sind alle Gefühle erlaubt – und wenn man Glück hat, wird eine große Party daraus.“
Mit Namen wie Hortutik (Garten) und Itsasotik (Meer) erinnern die Gerichte an die Heimat Atxas. ‚Memories of the Bay of Biscay’ nennt der Küchenchef den Tatar aus Austern, Krabben und Wildgarnelen. Nicht zu verachten sind auch die vegetarische Gerichte, etwa Rote-Beete-Tartar oder Bomba-Reis-Risotto mit Idiazábal-Pesto. Zum süßen Abschluss bietet sich sein Signature-Dessert an: Milchreis-Lollies mit knackigem Schokoladenüberzug und Haselnüssen.
Sterne sind im „Eneko at One Aldwych“ nicht das Ziel. Vielmehr will der kreative Spanier junge, innovative baskische Küche präsentieren, die im kulinarischen Umfeld von London neue Akzente setzt. Ein einfaches, bodenständiges Konzept mit baskischen Wurzeln sozusagen.