James Baron – Chef de Cuisine im Luxushotel Tannenhof in St. Anton – über Inspiration, Nachhaltigkeit am Tisch und aufgeschlagene Butter.

Sie sind erst 30 Jahre alt und als Küchenchef im Tannenhof in St. Anton – dem kleinsten Fünf-Sterne-Superior-Hotel Europas – in einer Position, die selbst altgediente Kochkünstler mit Ehrfurcht beäugen. Was treibt Sie an? Einerseits das ständige Streben nach Verbesserung und Perfektion, andererseits aber auch die Liebe dazu, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Den eigenen Rhythmus finden und unseren Gästen stets nur das Beste zu bieten und hierbei ausschließlich allerhöchste Qualität zu verarbeiten.

Diese Einstellung dürfte im Tannenhof essenziell sein. Viele Gäste reisen mit dem Privatflugzeug an und sind – auch in kulinarischer Hinsicht – nur das Beste gewöhnt. Werden Sie deren Ansprüchen immer gerecht? Wir versuchen es, ja, und bis heute hat sich noch niemand beschwert (lacht). In der Tat erfordert meine Position eine enorm hohe Flexibilität und stete Neuorientierung, weil ich mit meinem Team immer versuchen möchte, alles möglich zu machen. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass ich auch mal ganz kurzfristig in eine unserer lokalen Top-Sennereien fahre, um die passenden Zutaten für ein hochwertiges Gericht zu besorgen, das eigentlich gar nicht auf unserer Karte steht.

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©Birgit Koell

Sind Ihre Gäste besonders kritisch? Natürlich, dies auch absolut zurecht, aber ich baue vom ersten Augenblick an ein persönliches Vertrauensverhältnis zu unseren Gästen auf. Mich überrascht, wie leicht sie zufriedenzustellen sind. Alles steht und fällt aber mit der Qualität der Rohprodukte, welche wir sorgsam täglich aufs Neue aussuchen.

Was zeichnet die Kulinarik im Tannenhof noch aus? Wir fragen beispielsweise Gäste, die mehrere Tage bei uns sind, nach ihren Wünschen und arbeiten gemeinsam mit ihnen eine individuelle kulinarische Erlebnisreise für den Aufenthalt aus. Der Bogen spannt sich hierbei von österreichisch traditionell über ein Schweizer Käsefondue bis hin zu unseren neuesten kulinarischen Kreationen unseres À la carte-Menus.

©Birgit Koell
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Wie würden Sie Ihren Stil bezeichnen? Ich bin bodenständig und reflektiere dies auch in meinen Gerichten. Auf übertriebenen Schnickschnack lege ich keinen besonderen Wert. Ich konzentriere mich rigoros auf den Grundgeschmack eines Produktes und versuche diesen zu unterstreichen, um ihn zu erhalten. Bei allem, was ich mit meinem Team koche, kommt es auf die Komposition und Ausgewogenheit des Verhältnisses von süß, sauer und salzig an. Diese Komponenten sind in allen meinen Gerichten enthalten. Meine Küche ist somit für den Gast verständlich und bedarf keiner großen Erörterungen durch den Service am Tisch.

Mit welchen Produkten tun Sie sich schwer? Nachhaltigkeit ist für mich oberstes Gebot. Daher kommt zum Beispiel Thunfisch bei uns nicht auf die Karte. Ich persönlich liebe Thunfisch mit Yuzu, dennoch hat er in meiner Küche keinen Platz. Wenn aber ein Gast unbedingt darauf besteht, versuchen wir eben seinen Wunsch zu erfüllen. Ansonsten vermeiden wir im gesamten Haus strikt die Produkte des Nestlé-Konzerns und sonstiger großindustrieller Produzenten.

© Birgit Koell
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Woher holen Sie sich Ihre Ideen?
Inspirationen kann ich überall finden, ich brauche dazu weder Facebook noch Instagram. Nicht unbedingt die Idee inspiriert, sondern die Atmosphäre. Impulse können ebenso gut aus einer Käserei, beim Fotoshooting – oder auch aus einem Dialog mit einem Spitzenkoch stammen. Als ich zum Beispiel über den Weihnachtsmarkt schlenderte, habe ich einen Sauerkrautkrapfen gegessen, den ich – verfeinert als Beignet – auf die Karte genommen habe. Manchmal bekomme ich auch beim Besuch eines Großmarkts spontane Ideen. Aber es geht mir nichts über die Natur, insbesondere im Frühling, wenn alles zu sprießen und blühen beginnt, quillt auch in mir die Kreativität über (lacht).

© Birgit Koell
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Der Tannenhof hat sich die „Creative Alpine Kitchen“ auf die Fahnen geschrieben. Was verbirgt sich dahinter? Unser Küchenstil orientiert sich an allen Produkten, die entlang des Alpenbogens zu finden sind. Im Vordergrund jedoch steht die Region. Ich bin gerade dabei, mir ein Netzwerk aus den besten Biohöfen und Betrieben der Region aufzubauen. Das ist extrem spannend, bedarf aber sehr viel Überzeugungsarbeit beim Bauern selbst. Unsere Butter zum Beispiel, die abends frisch am Tisch aufgeschlagen wird, stammt aus einer nahegelegenen Sennerei im Stanzertal. Kürzlich bin ich auf einen Züchter von Wagyu-Rindern gestoßen, dessen Tiere auf der Alm leben. Das ist weltweit einzigartig, ihr Fleisch ist viel weniger von Fett durchzogen, als bei den japanischen Tieren. Ich habe gleich ein 450 Kilogramm schweres Exemplar bestellt. Gestern ist es geschlachtet worden.

Hotel Tannenhof *****Superior, St. Anton am Arlberg
(c) Markus Gmeiner

Nach Ihren Stationen bei Drei-Sterne-Koch Andreas Caminada in Schloß Schauenstein und dem mit zwei Sternen gekürten Didier de Courten in Sierre, sind Sie nun schon seit sechs Jahren in den Alpen. Vermissen Sie manchmal Ihre englische Heimat? Ich fühle mich sehr wohl und genieße die Traditionen sowie den Lifestyle der Alpen. Ich freue mich auf den Frühling mit allem, was er für die Küche hergibt und auf das Kräutersammeln im Früh- und Hochsommer. Und wenn mich das Heimweh packt, bin ich ja mit dem Flugzeug in eineinhalb Stunden in London.

© Birgit Koell
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Wer hat Sie besonders beeindruckt? Zum Besten, was ich je gegessen habe, gehört ein in Heu gebackenes Hühnchen mit Limonen-Vinaigrette bei Alain Passard in Paris. Bei Andreas Caminada habe ich neben den perfekten Techniken auch sehr viel Menschliches gelernt. Didier de Courten wiederum gab mir die einzigartige Chance, den Geheimnissen der klassischen und auch neu-französischen Küche auf die Spur zu kommen. Gleichwohl möchte ich meinen eigenen Weg gehen und in den kommenden Jahren mit meinem eigenen Stil klare kulinarische Zeichen setzen.

Ihr Vorgänger im Tannenhof wurde mit 18 Gault&Millau-Punkten ausgezeichnet. Setzt Sie das unter Druck? Ich bin sehr entspannt und schaue sehr positiv in die Zukunft. Glücklicherweise legen mir Axel Bach und Judith Volker als Eigentümer keine Beschränkungen auf und lassen mir die Freiheit, meinen eigenen Stil und meine Handschrift umzusetzen. Ich bin zwar erst seit vier Monaten hier, kann aber guten Gewissens sagen: Wir sind sicher auf dem richtigen Weg.

www.hoteltannenhof.net