Mai 1943, Paris steht unter deutscher Besatzung. Im Künstler-Café „Le Catalan“ trifft der 62 Jahre alte Pablo Picasso die 40 Jahrzehnte jüngere Malerin Françoise Gilot. Es ist der Beginn einer großen Liebe und Leidenschaft. Der Journalist Malte Herwig besuchte die heute 94-jährige Mutter von Paloma Picasso über mehrere Jahre in New York und Paris, wo sie ihm ihre Ateliers und ihr Herz öffnete. Der Titel seines Buchs, „Die Frau, die Nein sagte“, stammt von Picasso selbst, der seine Muse einst so bezeichnete.
Basierend auf Gesprächen, die der Autor mit Françoise Gilot geführt hat, zeichnet Herwig das Bild einer versierten Kennerin der Kunstgeschichte. Einer Frau, die dem Malergenie auf Augenhöhe begegnete und der die unbeschränkte Selbstbestimmung wichtiger war, als das Leben an der Seite des egozentrischen Großmeisters. Ihr Motto lautet bis heute: immer nach vorne blicken, den eigenen Weg suchen – und gehen. Doch „Pablo wollte, dass ich ständig schwanger war, weil ich dann geschwächt und weniger ich selbst war. Also habe ich nach dem zweiten Kind gesagt, dass Schluss ist.“ Es war der Anfang vom Ende der Amour fou.
Nach zehn Jahren an Picassos Seite nimmt die Frau mit den markanten Augenbrauen 1953 die beiden Kinder Paloma und Claude und geht zurück zu ihren gut betuchten Eltern – weil „Liebe und Kommunikation, die wir miteinander hatten, nicht mehr vorhanden war. Es war eine äußerst leidenschaftliche Beziehung mit Picasso, die mein Leben bereichert hat. Er hat mich geliebt, ich habe ihn geliebt, wir haben immerhin zwei Kinder zusammen. Aber unsere Wege mussten sich trennen.”
In all der Zeit an seiner Seite blieb sie für ihn immer undurchschaubar und bewahrte ihr Innerstes für sich: „Picasso kannte mich trotz unserer zehn gemeinsamen Jahre nie, denn ich habe mich verschlossen. Ich enthülle mich nie, warum sollte ich das?“
In ihrer 1964 erschienenen Autobiografie “Mein Leben mit Picasso” nannte sie die Gründe, warum sie das Genie verließ: seine Grausamkeit, seine Egomanie, den Hang zum Manipulieren, die Untreue. Der wohl größte Casanova der Kunstgeschichte zog wütend gegen den indiskreten Bestseller vor Gericht – ohne Erfolg.
Gilot war die einzige Frau, die ihn verlassen hat. Ein Sakrileg, denn sonst war es stets der exzentrische Künstler, der seinen Musen und Liebschaften den Laufpass gab, nicht ohne ihnen zuvor das Herz zu brechen: Die Fotografin Dora Maar, die Tänzerin Olga Chochlowa, Marie-Thérèse Walter und Jacqueline Roque sind die bekanntesten. Die beiden letzteren sanken so tief in die Depression, dass ihnen nur der Freitod Erlösung verschaffte.
Françoise Gilot ließ sich von dem kantigen Choleriker nicht beeindrucken, sondern folgte lieber Lebensweisheiten wie diesen: „Wenn du wirklich leben willst, musst du etwas Dramatisches riskieren, sonst lohnt sich das Leben nicht. Wenn du etwas riskierst, erlebst du auch schlimme Dinge, aber du lernst vor allem eine Menge und lebst und verstehst immer mehr. Vor allem wirst du nicht langweilig. Das ist das Allerschlimmste: langweilig werden.“
„Die Frau, die Nein sagte“, ist nicht nur ein inspirierendes Buch über die bildende Kunst – es ist vielmehr eine tiefgründige Lektüre über die Kunst des Lebens und eine Hommage an eine starke, außergewöhnliche Grande Dame. Der Autor bringt es so auf den Punkt: „Das Vermächtnis dieser außergewöhnlichen Frau war größer als ihre Bilder und Bücher. Sie war eine Philosophin des Glücks, die noch der schwärzesten Tragikomödie des Lebens ein Lächeln abgewinnen konnte.“ Malte Herwigs Buch ist unbedingt lesenswert.
Malte Herwig: „Die Frau, die Nein sagte“ ISBN 978-3-940138-82-8 Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de)
Fotos: Ana Lessing, Ankerherz Verlag
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